der Rest der Route

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Josha von Gizycki 10 months ago
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@ -105,3 +105,27 @@ Nach etwas Aufenthalt und einem Schnack mit Motorradfahrerkollegen geht es auf d
Den Col de Castillon (706m) nehme ich nach all der Aufregung und Ehrfurcht gar nicht wahr und so rollen wir immer weiter durchs Tal bergab in Richtung Menton. Es geht durch die niedlichsten Dörfer, vorbei an im Zerfall eingefrorenen Häuser und Vorgärten und es wird ganz langsam immer wärmer. Als wir am Mittelmeer ankommen, wind es umwerfende 35°C und wir überlegen, ob es verboten ist, in Motorradschutzkleidung ins Meer zu springen. Unser Strandurlaub währt nur kurz, wir müssen wieder ins Rollen geraten, sonst kommen wir trotz eifrigen Nachfüllens an Dehydrierung um.
Die Campingplatzsuche erweist sich als äußerst schwierig, da in Italien gerade mit Mariä Himmelfahrt ein hoher Feiertag begangen wird und angeblich ganz Süditalien in den Norden gefahren ist. Tradition oder so. Um 15:00 Uhr fahren wir den ersten Platz an, 15:30 Uhr den zweiten. Dann entscheiden wir, etwas Strecke zu machen und etwas nach Norden zu kommen. Daraus resultierte eine längliche Fahrt mit einigen Wendungen, welche darin mündete, dass wir um 21:00 Uhr 40km südlich von Mailand sehr erschöpft und dankbar an einem Platz mit einem Stück Wiese für uns ankommen.
## Der Rest
Der Rest der Tour wurde nicht im Tourtagebuch aufgenommen. Daher kann hier nur noch ein Gedächtnisprotokoll niedergeschrieben werden.
Am Morgen des 16.08. stellte sich heraus, dass ein Kamerad über Nacht gesundheitliche Probleme in Form von Erkältungssymptonen entwickelt hat. Ursprünglich war der Plan, auf dem Heimweg durch die Schweiz den östlichen Teil der Grand Route of Switzerland mitzunehmen. Diesen Plan konnten wir nicht mehr guten Gewissens durchführen. Also wurde sich geeinigt, schnellstmöglich die Schweiz zu durchqueren, auf deutscher Seite zu übernachten und dann mittels eines großen Schrittes nach Hause zu kommen. Der Kamerad musste nach Hause, da konnte man keine Umwege mehr in Kauf nehmen.
Wir dachten, auf Kantonstraßen die Schweiz durchqueren zu können, die Schweizer Autobahnmaut fürchtend. Nach heftigem Stau und dehydrierender Sonneneinstrahlung in der Nähe des Lago di Lugano, die Straße bis Lugano war hingegen wunderschön, recherchierten wir doch, wie das mit der Maut nun genau sei. Nachdem wir gelernt haben, dass diese nicht allzu teuer ist, wir keine Aufkleber auf unsere Maschinen anbringen müssen und inzwischen alles über das Kennzeichen läuft, klicken wir uns die Gebühren zusammen und es geht auf die Autobahn.
Schweizer Autobahnen in den Alpen - wie kann das nur so schön sein. Sie laufen meistens parallel zu den Kantonstraßen, nur erhöht und mit besser fließendem Verkehr. Währenddessen kann man die schönsten Aussichten genießen. Die Eidgenossen sind manchmal einfach zu beneiden.
Bei einer Rast entdeckten wir eine Frischwasserquelle mit eiskaltem und glasklarem Wasser, die anscheinend direkt von den umliegenden Bergen gespeist wird. Der erkrankte Kamerad, der inzwischen heftige Kopfschmerzen entwickelt hatte, steckte seinen Kopf unter Wasser und genoss die betäubende Kälte.
Ich füllte mir eine Flasche dieses Urwassers ab und werde sie später im Kühlschrank möglichst stark herunterkühlen und beim Genuss in Erinnerungen schwelgen.
Auf deutscher Seite fanden wir in der Nähe von Konstanz mit Müh und Not einen überfüllten Campingplatz der noch ein wenig Platz für uns hat. Beim Zeltaufbau brach mir noch eine Stange und perforierte die Außenhaut. Gut, dass dies die letzte Nacht sein sollte. Ein Gewitter holte uns noch fast ein, Niederschlag blieb allerdings aus.
Der 17.08. und damit die finale Etappe standen an. Der noch gesunde Kamerad verabschiedete sich, um einen fern von der Heimat wohnenden Freund zu besuchen. Ich fuhr mit dem noch immer kränkelnden Kameraden zurück nach Hause.
Wir fanden ein für unsere körperlichen Verfassungen und unsere Maschinen passenden Marschtempo heraus und setzten an, Fortschritt zu machen. Ungefähr auf Höhe Göttingen gab es die letzte Rast. Der Kamerad war sichtlich fertig und erkältet, gut dass wir schon so nah an der Heimat waren. Kurz darauf stellten sich auf Höhe des Harzes Nebel und ungemütliche Temperaturen ein. Nach rund einer Woche in mediterranem Klima biss die Kälte besonders hart. Da ich mich aber auf kalte Temperaturen eingestellt hatte, wir sollten ja immerhin mehrere tausend Meter hohe Bergpässe fahren, welche sich als überaus warm herausstellten, hatte ich die passende Ausrüstung bereits griffbereit. So kamen wir an meiner Abfahrt an, ich winkte dem Kameraden zum Abschied und er fuhr weiter bis zu seinem Ziel.
Noch am selben Abend stellte sich heraus, dass unser Kamerad sich irgendwo auf der Strecke Corona eingefangen hat und die letzten zwei Tage der Tour fingen die Symptome an. Wenige Tage später war auch der andere Kamerad positiv, ich blieb verschont. Die Verläufe waren glimpflich.
## Gedanken
Während der Recherchen zu dieser Tour habe ich immer wieder gelesen, dass die Route des Grandes Alpes eine legendäre Strecke, die Tour deines Lebens sei. Solche Aussagen sind natürlich mit Vorsicht zu genießen. Ich weiß jetzt allerdings, was damit gemeint ist, wenn Menschen auf diese Art schwärmen.
Ich kann sagen, dass ich jetzt, mehr als ein halbes Jahr nach Abschluss dieses Urlaubs, noch immer satt von diesen Erlebnissen bin. Derzeit juckt es mich nicht, eine neue Tour zu planen. Ich habe derzeit keine Bedürfnisse, ein ähnliches Unterfangen ein Jahr nach Absolvierung der Route des Grandes Alpes zu unternehmen. Lieber schwelge ich in den Erinnerungen, schaue mir Fotos an, erzähle anderen davon, wie grandios die Straßen in den französischen Seealpen sind.
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