nächster Tag der Route

master
Josha von Gizycki 3 months ago
parent c3464343b0
commit bb9024b61c

@ -89,4 +89,19 @@ Der Col de la Cayolle (2326m) hingegen ist das völlige Gegenprogramm. Schon die
Die Straße ist sehr uneben, dafür aber schmal und, wie überall hier, unausreichend gegen Absturz gesichert. Sie führt durch enge Schluchten, übersäht mit grobem Geröll und Bäumen, und schmale Brücken, durch enge Kurven und nah an der Bergwand entlang. So zirkeln wir gut 15km entland hoch zur Passhöhe, glücklicherweise ohne nennenswerten Gegenverkehr, und noch weniger Verkehr in unsere Richtung - an Überholen, vor allem im Dreierpack, ist hier nicht zu denken.
Hinab verhält es sich genauso, nur kommen hier noch vereinzelt Tunnel hinzu und dramatische Aussichten hinab ins Tal und quer hindurch. Der mediterrane Einschlag ist vor allem auf dieser Seite nicht mehr zu leugnen. Und dann passiert, was passieren musste: Wir biegen um eine, wie üblich, sehr enge und schmale Kurve links um den Berghang herum ab und plötzlich steht ein Wohnmobil vor einem. Auf einer Straße, auf die keine Autos nebeneinanderpassen und die in Richtung Abgrund mit ein paar Steinmäuerchen gesichert ist. Ich kriege mein Motorrad sicher aus der Schräglage zum stehen, meine Kameraden ebenso, wir sind ja geübt. Und so schmiegen wir die Maschinen an die winzigen Wände, Füße in die Lücken zwischen ihnen gestellt und lassen das auf diesen unheimlich schmalen Straßen völlig deplazierte Wohnmobil im Schritttempo passieren. Das lieft nochmal gut.
Nach längerer Suche finden wir auch einen Campingplatz. Dabei passieren wir noch den Col de Valberg (1673m) und den Col de la Couillole (1678m), ohne diese groß zu bemerken. Die Suche schlaucht, die Köpfe sind leer. Schöne Gegend, tolle Kurven, irre Steigungen und Aussichten, doch wir wollen nur ankommen.
Nach längerer Suche finden wir auch einen Campingplatz. Dabei passieren wir noch den Col de Valberg (1673m) und den Col de la Couillole (1678m), ohne diese groß zu bemerken. Die Suche schlaucht, die Köpfe sind leer. Schöne Gegend, tolle Kurven, irre Steigungen und Aussichten, doch wir wollen nur ankommen.
## 15.08.
Wir verbringen eine ruhige Nacht an unserem Last Minute Zeltplatz. Der kommende Morgen ist nicht zu warm und nucht zu kalt - direkt in der Sonne hält man es allerdings nicht wirklich aus. Aber wir haben ja eh Dinge geplant, also wird nach einem kurzen Frühstück gepackt, aufgesattelt und losgefahren.
Der Col Saint-Martin (1500m) wartet auf uns. Er befindet sich in einer schmalen Öffnung zwischen zwei Berghängen. Dahinter eröffnet sich ein mediterran aussehendes Tal, welches wir in engen Kurven hinabsteigend befahren. Die Straße führt direkt neben einem Flussbett entlang, ungefähr auf einer Höhe. Wenn der Fluss mal nennenswerte Mengen Wasser tragen sollte, muss die Straße überflutet sein. Außerdem ist das Bett voll mit menschengroßen Findlingen. So sollen sicherlich die Fluten gebremst werden. Alles hier unten ist sehr sandfarben, beige, als wäre ein Terracottafilter aktiviert worden. Knorrige Bäume spenden etwas Schatten, während wir auf der anderen Seite des Tals wieder einen Berghang erklimmen.
Die Straße führt uns direkt zwischen den hutzeligsten Häusern entlang, durch steile und engste Spitzkehren. Glücklicherweise haben wir bei so etwas nun wirklich den Dreh raus. Weiter geht's durch eine Altstadt, gelegen auf einem klippenumgebenen Berg mitten im Tal. Wir umrunden sie auf der äußersten Straße, geschmiedete Zäune grenzen den Asphalt vom Abgrund ab. Und dann sehe ich das Schild: Col de Turini (1607m)!
Es geht weiter, steile Kurven, fraglicher Straßenbelag, knorrige Bäume. Doch dann lichtet sich die Umgebung etwas und wir fahren über eine Straße, die der steilen Wand des Berges abgetrotzt wurde. An vielen Stellen ragt das Gestein über den Asphalt, teilweise in Form von kurzen Tunneln. Manchmal wurden kleine Brücken gebaut, um Lücken in den Verwerfungen der Wand zu überspannen. Und dann sehe ich die kleinen Steinmauern, die die Straße zum Abgrund abgrenzen, und dann erkenne ich die Kurven wieder. Wir sind wirklich am Fuß des Col de Turini angekommen, der Pass, der durch die Rallye Monte Carlo berühmt ist - und ich befahre ihn genau jetzt. Mir stockt der Atem, kurz verschwimmt die Sicht, ich muss schlucken. Auf dieses Stück legendäre Straße habe ich seit Jahren hingefiebert. Ich fahre nicht zu schnell, einerseits ist die Straße sehr schmal und der Abgrund stets präsent, andererseits will ich diesen Moment so lang wie möglich genießen. Dann kommen die Spitzkehren, die man in Berichterstattungen und bei Bildersuchen immer wieder sieht - dicht gepackt, immer nur wenige, und an die Bergflanken gemauert. Wir durchstreifen sie gekonnt, kein Fahrzeug befindet weit und breit um diesen Moment zu behindern - welch ein Glück wir haben.
Weiter bergauf fliegen wir, genüsslich diese historischen Kurven durchpendelt. Und dann kommt die Passhöhe und wieder schaudert es mich. Ich erkenne alles wieder und wie benommen steige ich ab, nehme den Moment mit aufgerissenen Augen wahr. Ich wanke hin und her, erkenne Details wieder, mache weitwinklige Aufnahmen, ein Beweisselfie vom Passschild. Ich schaffe es nicht so glücklich zu gucken wie ich mich in dem Moment fühle.
Nach etwas Aufenthalt und einem Schnack mit Motorradfahrerkollegen geht es auf der anderen Seite bergab. Auch diese Seite ist eine legendäre Rennstrecke der Rallye Monte Carlo, vielleicht noch bekannter, das weiß ich nicht. Der Rollsplit vor dem wir gewarnt wurden, stört uns nicht zu stark. Wir fahren einfach etwas vorsichtiger und die betroffene Strecke ist sowieso eher kurz. Noch mehrmals muss ich heftig schlucken, als mir die Situation gewahr wird, in der ich mich gerade befinde und dann sind wir schon wieder runter von der Passstraße.
Den Col de Castillon (706m) nehme ich nach all der Aufregung und Ehrfurcht gar nicht wahr und so rollen wir immer weiter durchs Tal bergab in Richtung Menton. Es geht durch die niedlichsten Dörfer, vorbei an im Zerfall eingefrorenen Häuser und Vorgärten und es wird ganz langsam immer wärmer. Als wir am Mittelmeer ankommen, wind es umwerfende 35°C und wir überlegen, ob es verboten ist, in Motorradschutzkleidung ins Meer zu springen. Unser Strandurlaub währt nur kurz, wir müssen wieder ins Rollen geraten, sonst kommen wir trotz eifrigen Nachfüllens an Dehydrierung um.
Die Campingplatzsuche erweist sich als äußerst schwierig, da in Italien gerade mit Mariä Himmelfahrt ein hoher Feiertag begangen wird und angeblich ganz Süditalien in den Norden gefahren ist. Tradition oder so. Um 15:00 Uhr fahren wir den ersten Platz an, 15:30 Uhr den zweiten. Dann entscheiden wir, etwas Strecke zu machen und etwas nach Norden zu kommen. Daraus resultierte eine längliche Fahrt mit einigen Wendungen, welche darin mündete, dass wir um 21:00 Uhr 40km südlich von Mailand sehr erschöpft und dankbar an einem Platz mit einem Stück Wiese für uns ankommen.
Loading…
Cancel
Save